Tauchen an und um die Küsten Australiens herum ist für viele Touristen – das muss kaum mehr gesagt werden – eines der großen Abenteuer des dortigen Urlaubs. Zwar wachsend aber noch immer relativ klein ist allerdings die Community der australischen Wracktaucher. Dabei liegen um Australien groben Schätzungen zufolge etwa 8000 Schiffswracks in verschiedenen Tiefen und Zuständen, gut die Hälfte davon vor den beiden östlichen Bundesstaaten Queensland und New South Wales, die für die unterschiedlichsten Ansprüche und Fähigkeiten geeignet sind und das Tauchen zur tatsächlich unvergesslichen Erfahrung der etwas anderen Art werden lassen. In der Folge stellen wir vier der erlebnisreichsten und besten Schiffswracks der australischen Ostküste vor.
» SS Yongala
Das vermutlich berühmteste Schiffswrack Australiens ist das der SS Yongala, das etwa 90 Kilometer südöstlich von Townsville und 10 Kilometer entfernt von Cape Bowling Green im Korallenmeer des Great Barrier Reef Marine Parks liegt. Seine Bekanntheit ist dabei wohl vor allem der illustren Geschichte der SS Yongala geschuldet: 1903 lief das Schiff im englischen Newcasle upon Tyne vom Stapel und entsprach zu jenem Zeitpunkt den höchsten technischen Standards. Die bestens ausgestattete SS Yongala war das erste Passagierschiff Australiens, das die 5000 Kilometer lange Strecke von Brisbane-Freemantle mit Leichtigkeit meisterte, wenn sie auch vor allem zwischen Adelaide, Melbourne und Sydney, später zwischen Melbourne und Cairns verkehrte. Unter dem Kommando von Kapitän William Knight stach die Yongala, übrigens nach einem Wort aus der Sprache der Aborigines benannt, das so viel wie „weites Wasser“ bedeutet, am 14. März 1911 von Melbourne aus in Richtung Cairns in See.
Nach einem von mehreren planmäßigen Zwischenhalten verließ es am Mittag des 23. März mit 49 Passagieren, 73 Besatzungsmitgliedern und 617 Tonnen Fracht an Bord den Hafen von Mackay und steuerte ahnungslos, da noch nicht mit dem kurz zuvor eingeführten Telegrafensystem versehen, direkt in ein tobendes Unwetter. Der Leuchtturmwächter von Dent Island war vermutlich der letzte, der die SS Yongola an jenem verhängnisvollen Nachmittag des 23. März 1911 zum letzten Mal sah. Danach verschwand sie für viele Jahre spurlos und die Umstände ihres Verschwindens blieben über viele Jahrzehnte ein großes Rätsel der internationalen Schifffahrt. Nachdem das Wrack in den Folgen des 2. Weltkriegs zwar mehrfach verortet, aber nicht identifiziert wurde, gelang es erst den beiden Tauchern Don Macmillan und Noel Cook mit Hilfe eines englischen Safeherstellers, die Yongala 1961 zu identifizeren.
Heute ist die SS Yongala eines der am besten erschlossenen, längsten und schönsten Schiffswracks Australiens und kann im Rahmen von diversen Tauchtouren oder aber von sehr erfahrenen Tauchern auch im Alleingang erkundet werden. Es liegt bei einer Länge von 110 Metern schlagseitig in einem Winkel von etwa 65° nach Steuerbord in einer Tiefe zwischen knapp 30 und 16 Metern, ist nicht nur letzte Ruhestätte für 122 Menschen, sondern auch Heimat ebenso vieler Fischarten und bietet faszinierende Einblicke in das Leben der Edwardian Period in Australien. Wie viele andere Wracks auch ist es allerdings unter dem Historic Shipwrecks Act von 1976 geschützt und darf nur umschwommen, nicht aber von Innen erkundet werden. Für alle geschichtsinteressierten bietet das Maritime Museum von Townsville weitere Informationen über die SS Yongala.
» Lady Bowen
Wer auf der Suche nach untergegangenem Luxus à la Titanic ist, für den mag auch das Wrack der Lady Bowen von Interesse sein, das mehr oder minder in der Nähe der Yongala und ähnlicher Tiefe auf dem Kennedy Shoal vor Dunk Island liegt. 1864 als Luxusdampfer höchster Qualität in Glasgow gebaut, wurde die Lady Bowen mit großem Medieninteresse in Australien erwartet und als Glanzstück des Schiffbaus in Ahornholz und Palisander, mit ausladenden Samtsofas und erhabenem Raumgefühl gepriesen. 1875 wurde sie um einige Meter auf gut 70 Meter verlängert und 1888 schließlich an einen ungemein wohlhabenden Geschäftsmann aus Sydney verkauft, der den Raddampfer entsprechend seines Geschmacks in ein nostalgisches Seegelschiff mit vier Masten umrüsten ließ. Das, so ist zu vermuten, wurde der Lady Bowen am 19. August 1894 zum Verhängnis, als sie in einer Untiefe auflief und sank. Heute ist sie ähnlich der Yongala ein wunderbar zu ertauchendes Schiff, das mithin selbst zu einem Riff geworden ist und Heim einer unglaublichen Artenvielfalt geworden ist. Auch die Lady Bowen setzt eine gewisse Erfahrung und bestenfalls angeleitetes Tauchen voraus.
» SS Satara
Am 20. April 1910 lief die SS Satara auf einem Riff knapp südlich von Seal Rocks in New South Wales auf und sank kurz darauf. Im Gegensatz zu vielen anderen Schiffsunglücken ging jenes des ebenfalls aus Glasgow stammenden Dampfschiffs glimpflich aus: Sämtliche der wenigen Passagiere der als Frachtschiff vorrangig zwischen Indien und Australien verkehrenden SS Satara konnten sich in kleine Beiboote flüchten und später aus vom aufmerksamen Kapitän der SS Orara aus Seenot gerettet werden. Erst 1984 wurde das Wrack von zwei Tauchern in einer Tiefe von gut 44 Metern zwischen Riff und einer Sandbank entdeckt und kann heute ebenfalls im Rahmen von kleineren Touren erkundet werden.
» Lady Darling
Als ein Fischer 1996 seine Netze südwestlich von Montague Island auswarf, erlebte er Eigenartiges: Sie zogen sich unwiederbringlich fest und alle Versuche, sie frei zu bekommen, scheiterten entschieden. Wenig später konnte er das Kursiosum jedoch lösen. Er war auf ein in gut 30 Metern Tiefe auf einer Sandbank liegendes Wrack gestoßen, das sich als jenes der 1864 in Liverpool gebauten Lady Darling herausstellte, die mit ihrem riesigen Kohleofen einstmals zu den leistungsstärksten und größten Frachtschiffen ihrer Zeit zählte. Das Wrack, heute von Fischen und Anemonen, Seeschwämmen und –gurken bevölkert, zählt heute zu einem der schönsten in New South Wales und kann dadurch, dass es entzweigebrochen ist, wunderbar erkundet werden.