Die Kanaken sind die indigene Bevölkerung Neukaledoniens, deren reiche kulturelle Geschichte Tausende von Jahren zurückreicht. Ihre Traditionen, ihr Glaube und ihre Lebensweise sind eng mit der Natur verbunden und spiegeln ihre tiefe Verbundenheit zu ihrem Land wider.
Wie bei so vielen indigenen Völkern ist auch die Geschichte der Kanaken von einer wechselvollen Vergangenheit geprägt. Seit ihrer „Entdeckung“ durch europäische Seefahrer, ist die Geschichte des Kanakischen Volkes vor allem eine Geschichte von Unterdrückung und Leid. Speziell die französische Kolonialherrschaft führte zu vielen Herausforderungen für die Kanaken – so wurden sie, wie so viele andere indigene Völker, beispielsweise daran gehindert, ihre Kultur zu praktizieren und ihre eigene Sprache zu sprechen. Erst in den letzten Jahrzehnten hat die kanakische Gemeinschaft eine starke Unabhängigkeitsbewegung entwickelt, die auf die Wiederherstellung ihrer kulturellen Identität und Selbstbestimmung abzielt.
Heute ist die kanakische Sprache, auch bekannt als “Drehu”, eine der drei offiziellen Sprachen Neukaledoniens, neben Französisch und Englisch. Stets haben sich die Kanaken bemüht, trotz Unterdrückung ihre Sprache zu bewahren und an die jeweils nächste Generation weiterzugeben, um sicherzustellen, dass sie nicht verloren geht – mit eher mäßigem Erfolg. Heute sprechen immerhin wieder einige tausend Menschen eine der 28 kanakischen Sprachen, Tendenz steigend. Eine eigens dafür gegründete Institution ist nun damit beauftragt, das kanakische Spracherbe zu bewahren und die Förderung der indigenen Sprachen sicherzustellen. So ist es also durchaus zu begrüßen, dass sich heutzutage auch vermehrt Touristen und Besucher Neukaledoniens für die indigene Kulturlandschaft der Kanaken, für ihre Riten, Gebräuche und ihre Sprache interessieren. Zu diesem Zweck bieten verschiedene Anbieter nicht nur Ausflüge zu verschiedenen kanakischen Dorfgemeinschaften, sondern auch Bildungsreisen und Workshops an. Auch das kanakische Kulturzentrum ist Teil der Bemühungen, die indigene Lebensweise Neukaledoniens nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
L’Heure Kanak und andere Eigenheiten der kanakischen Kultur
Ein bemerkenswertes und manchmal auch amüsantes Merkmal der kanakischen Kultur ist “l’heure kanak”, was so viel bedeutet wie “kanakische Zeit”. Es ist ein Ausdruck für die entspannte und gelassene Einstellung der Kanaken gegenüber der Zeit und dem, was wir im Westen als „Effizienz“ bezeichnen. Im Gegensatz zur westlichen Kultur, die oft von Hektik und Eile geprägt ist, bevorzugen die Kanaken nämlich ein eher gemächliches Tempo und legen dafür viel mehr Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen. L’heure kanak ist ein Ausdruck dieser Lebensphilosophie, die sich vor allem durch Ruhe und ein achtsames Miteinander auszeichnet.
Symbol dieses friedlichen Miteinanders sind die traditionellen Wohnhäuser, auch bekannt als “Cases”. Diese runden, strohgedeckten Hütten wurden traditionell aus Holz und Pflanzenmaterialien gebaut. Sie sind nicht nur funktionale Wohnstätten, sondern auch Symbole für Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Die Cases spielen eine wichtige Rolle in der kanakischen Kultur und sind oft der Ort für traditionelle Rituale, Zusammenkünfte und Festlichkeiten, bei denen ausgiebig gegessen wird: die kanakische Ernährung basiert auf einer Vielzahl von Lebensmitteln, von denen die Yams-Knolle eine besondere Bedeutung hat. Gerade der Anbau und die Zubereitung von Yams sind eng mit traditionellen Praktiken und Riten verbunden und zeigen die enge Verbindung der Kanaken zur Natur und zur Landwirtschaft.
Ein traditionelles kanakisches Gericht, das sogenannte “Bougna”, ist ein wichtiger Bestandteil der kanakischen Kultur und wird nicht nur bei rituellen Feierlichkeiten und Zusammenkünften, sondern auch bei zwanglosen Festen gekocht. Bougna besteht aus Fleisch, Fisch oder Geflügel, das zusammen mit Yams, Taro, Maniok und anderen Wurzelgemüsen in Bananenblätter gewickelt und über heißem Stein oder Feuer im traditionellen Erdofen stundenlang gegart wird.
Die Kanaken haben eine tiefe spirituelle Verbindung zur Natur und glauben an die Existenz von Geistern und übernatürlichen Kräften. Sie verehren ihre Vorfahren und führen verschiedene Rituale und Zeremonien durch, um ihre Geister zu ehren. Die kanakische Kultur ist daher reich an Mythen, Legenden und symbolischen Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ausdruck dieses tiefen Glaubens sind die beeindruckenden Holzskulpturen, die mythologische Figuren, Tiere und andere Symbole der kanakischen Kultur darstellen. Diese kunstvollen Schnitzereien werden oft aus einheimischen Hölzern wie Sandelholz oder Niaouli hergestellt und sind nicht nur künstlerische Ausdrucksform, sondern auch ein wichtiger Teil der spirituellen Praktiken und Rituale der Kanaken.
Die reiche und vielfältige Kultur der Kanaken wirklich kennenzulernen, dauert lange – was vor allem an der Vielschichtigkeit ihrer Riten und Gebräuche liegt. Eintauchen in diese Kultur kann man zum Beispiel bei einem Ausflug oder einem Homestay im Hinterland Neukaledoniens, zum Beispiel beim Stamm der Bas Coulna. Die Bas Coulna sind ein indigenes Volk in Neukaledonien, das die Traditionen und Gebräuche der kanakischen Kultur bis heute lebt. Sie leben hauptsächlich in der Provinz Nord und sind bekannt für ihre sehr traditionelle Lebensweise und ihre enge Beziehung zur Natur. Die Bas Coulna praktizieren beispielsweise traditionelle Landwirtschaftstechniken und sind erfahren in der Herstellung von Werkzeugen und Kunsthandwerk. Ihr kulturelles Erbe wird von Generation zu Generation weitergegeben, und sie spielen eine wichtige Rolle bei der Bewahrung der kanakischen Traditionen und der Stärkung der indigenen Identität in Neukaledonien.
Das Tjibaou Kulturzentrum – Erbe eines großen politischen Aktivisten
Einen Einblick in die reiche Kultur der Kanaken und in die Geschichte Neukaledoniens bietet auch das Tjibaou Kulturzentrum. Dieses einzigartige Museum wurde zu Ehren des kanakischen Nationalhelden Jean-Marie Tjibaou errichtet und ist ein Ort, an dem die Traditionen und Bräuche der Kanaken bewahrt und gefeiert werden. Von den traditionellen Cases und Holzskulpturen bis hin zu den kulinarischen Köstlichkeiten wie Bougna und der tiefen Verbindung mit der Natur gibt es hier viel zu entdecken und zu bewundern.
Jean-Marie Tjibaou, der Namensgründer des Kulturzentrums ist eine zentrale Figur in der kanakischen Geschichte. Als visionärer Anführer, der sich für die Unabhängigkeit Neukaledoniens und die Erhaltung der kanakischen Kultur einsetzte, wird sein Vermächtnis und sein Einsatz im Tjibaou-Kulturzentrum gewürdigt. Als politischer Aktivist, Kulturvermittler und Führer der indigenen Bevölkerung Neukaledoniens prägte Tjibaou die politische Landschaft des Landes maßgeblich. Zeitlebens setzte sich der 1936 in Neukaledonien geborene Aktivist für die Rechte und den Erhalt der kanakischen Kultur ein.
Tjibaou stammte aus einer einflussreichen kanakischen Familie und erhielt, anders als viele seiner Landsleute, eine herausragend gute Bildung: Er studierte Literatur, Philosophie und Jura in Frankreich und machte seinen Abschluss an der Universität von Aix-en-Provence. Nach seiner Rückkehr nach Neukaledonien engagierte er sich in der politischen Arena und wurde einer der prominentesten Anführer der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung.
Mit seiner 1975 gegründeten Partei „Union calédonienne“ (Kanakische Union), machte er sich für die Rechte der kanakischen Bevölkerung und die Unabhängigkeit von Neukaledonien stark, war jedoch ein Verfechter des friedlichen und gewaltfreien Dialogs zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen des Landes. Neben seinem politischen Engagement war Tjibaou auch ein engagierter Kulturbotschafter. Er erkannte die Bedeutung der kanakischen Kultur und arbeitete daran, sie zu bewahren und zu fördern.
Tjibaou gründete das Centre Culturel Tjibaou, ein Kulturzentrum in Neukaledonien, das der Förderung der kanakischen Kunst, Musik und Traditionen gewidmet ist. Es ist die Ironie der Geschichte, dass der gewaltlose Aktivist Tjibaou schließlich einen gewaltsamen Tod fand: 1989 wurde er bei einem Attentat getötet – sein Tod war ein großer Verlust für die kanakische Bevölkerung und für ganz Neukaledonien. Dennoch bleibt sein Vermächtnis erhalten. Sein Einsatz für die kanakische Kultur und die Anerkennung der Rechte der indigenen Bevölkerung hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen und den Weg für einen Dialog über die Zukunft Neukaledoniens zu ebnen. Bis heute dient sein Erbe als Inspiration für viele Aktivisten, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzen, und sein Einsatz für den Dialog und den friedlichen Wandel bleibt ein lebendiges Beispiel für den Weg zu einer gerechten und inklusiven Gesellschaft.
Fotos: Kulturzentrum by David Stanley CC BY-SA 2.0 & Case by Fanny Schertzer CC BY-SA 3.0 via Wikipedia;