Australien liegt von Deutschland ganze 14.457 Kilometer entfernt, doch sind sie auch kulturell so weit voneinander entfernt? Klar, Gemeinsamkeiten gibt es viele zwischen Deutschen und Australiern, immerhin wurde der australische Kontinent einst von den Briten kolonialisiert.
Viele der Einwanderer stammten aus Großbritannien und Irland, doch auch aus den USA und aus Asien wandern Menschen nach Australien ein. Der Anteil der indigenen Bevölkerung hingegen macht heute leider nur noch 2,5 Prozent aus. Damit ist die australische Kultur, trotz der jahrtausendealten Besiedelung der Aborigines, im Kern ziemlich europäisch und die kulturelle Distanz zwischen Deutschland und Australien ist relativ gering. Und dennoch: Einige kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Australien gibt es, und die sind zum Teil so fundamental, dass sie den einen oder anderen Kulturschock auslösen können.
1) Mate Culture
Was für die Hawaiianer die Aloha-Kultur ist, ist für Australier das Konzept des Mateship. Die Wurzeln dieser Tradition liegen sicher in der Zeit der ersten europäischen Besiedelung: In der kargen und zum Teil sehr gefährlichen Umwelt waren die Menschen aufeinander angewiesen. Mateship, also Freundschaft, Loyalität und Gleichheit waren für die ersten Siedler überlebenswichtig. Dieses Konzept schlägt sich in allen Lebensbereichen nieder: Flache Hierarchien, Hilfsbereitschaft und ein lockerer Umgangston sind kennzeichnend für die australische Kultur. Und um den lockeren Umgang miteinander noch zu betonen, sprechen viele Australier einander mit „Mate“, also Kumpel an, ganz egal ob man sich schon seit der Schulzeit, oder erst seit fünf Minuten kennt.
2) Geringe Machtdistanz
Zur Mate-Culture gehört auch, dass die Machtdistanz, also ausgeprägte hierarchische Strukturen, sehr gering ist: Der Taxifahrer gilt als ebensoviel wert wie der Manager – jedenfalls in der Theorie. Darum setzen sich Australier im Taxi stets ganz ungezwungen neben den Fahrer und nicht etwa auf die Rückbank.
3) Bescheidenheit
Zwar gilt auch in Deutschland Bescheidenheit als eine Zier, dennoch sind die Australier uns in Sachen Understatement ein Stück voraus. Während zum Beispiel akademische Titel und Statussymbole in Deutschland hoch angesehen werden, ist es in Australien verpönt, sich etwa mit einem Doktortitel oder teuren Statussymbolen zu brüsten. Wer also darauf besteht als Doktor Sowieso angesprochen zu werden, macht sich in Australien eher lächerlich.
4) Informalität
Anders als im formellen Deutschland (und auch im britischen Mutterland) geht es in allen Lebensbereichen sehr informell zu: Chefs, Kunden, Dienstleister und sogar Universitätsdozenten werden hier ganz selbstverständlich mit dem Vornamen angeredet.
5) Positive Lebenseinstellung
No worries ist in Australien ein gefügeltes Wort. No worries ist die Antwort auf alles. Das Leben genießen und Spaß haben gilt den Australiern als ein erstrebenswertes Ziel. Die Relaxtheit der Australier ist vielleicht einer der Hauptunterschiede zur deutschen Kultur.
6) Freizeit
Freizeit hat einen weit höheren Stellenwert als in Deutschland und man legt in Australien mehr Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Die gewonnene Freizeit wird übrigens am liebsten am Strand verbracht.
7) Auf die Gegenwart konzentriert
Die Australier leben in einer sogenannten normativen Kultur – ganz im Gegensatz zu uns Deutschen: unsere Kultur ist pragmatisch. Die Unterschiede? Während das Credo in Deutschland lautet: Schaffen, Sparen, Haus bauen, leben die Australier ganz im Jetzt. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Australier weniger sparen als Deutsche und lieber schnelle Ergebnisse sehen, als lange in die Zukunft zu planen.
8) Strandverbundenheit
Was für die Deutschen der Wald ist, ist für die Australier der Strand. Die Verbundenheit mit dem Meer ist für viele Australier Teil ihres Selbstverständnisses. In Deutschland gibt es Begriffe wie Waldlust und Waldromantik – in Australien ist es das Beach Life. Die meisten Australier leben in der Nähe der Küste und das Surfen ist hier nicht nur Volkssport, sondern beinahe so etwas wie eine Religion.
9) BYO
BYO steht für Bring your own und betrifft nicht nur private Barbecues, bei denen es üblich ist, etwas zum Essen oder Trinken mitzubringen, sondern auch Cafés. So ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, in einem australischen Café sein eigenes mitgebrachtes Essen zu verzehren.
10) Sportbegeisterung
Die Begeisterung für Sport haben die Australier mit den US Amerikanern gemeinsam: Sport ist das häufigste Gesprächsthema und kann schnell abendfüllend werden. Die beliebteste Sportart: Australian Football.
11) Kritik nett verpacken
Wie fast überall auf der Welt (außer in Deutschland) gilt es auch in Australien als verpönt, offensiv mit Kritik um sich zu werfen. Wenn es also etwas zu kritisieren gibt, werden die Australier alle möglichen Wege finden, diese möglichst nett, höflich und schonend zu verpacken. Für deutsche Ohren klingt australische Kritik dann oft nicht nach Kritik, sondern nach einem verhaltenen Lob. Missverständnisse sind also vorprogrammiert.
12) Auf- und Abrunden
Australien hat seine 1 und 2 australische Dollar Cent Münzen abgeschafft – aus Kostengründen. Daher werden die Preise an der Kasse einfach auf- oder abgerundet.
13) Smalltalk
Wir Deutsche neigen kulturell eher dazu, oberflächlichen Smalltalk zu vermeiden. Lieber sprechen wir über konkrete Themen oder befassen uns mit Politik und anderen Problemen. Diese schwere Kost liegt dem Australier jedoch gar nicht, es gilt gemeinhin als unhöflich, beim Smalltalk über Probleme zu sprechen. Auch politische Themen sind kein gern gesehenes Thema für einen netten Plausch.
14) Geschichte
Damit kommen wir zu einem sensiblen Thema: Die australische Geschichte ist, ähnlich wie die Geschichte der USA, geprägt von Rassismus und Unterdrückung der Ureinwohner. Die Situation der Aborigines ist auch heute noch problematisch. Deutsche sollten sich jedoch bewusst machen, dass der Begriff Aborigine in Australien eher abwertend gemeint ist. Respektvoller ist die Bezeichnung Indigenous Australians oder Aboriginal People.
15) Rechnung teilen
In vielen angelsächsischen Ländern ist es üblich, beim gemeinsamen Ausgehen die Rechnung einfach zu teilen. Anders als in Deutschland wir dabei nicht ausgerechnet, wer welches Gericht hatte – der Rechnungsbetrag wird einfach durch die Anzahl der Leute geteilt. Wer dabei das billigste Gericht hatte, hat eben Pech gehabt.
16) Großzügigkeit
Apropos Ausgehen: In Australien ist es üblich, im Pub Runden auszugeben. Innerhalb einer Gruppe sollte also jeder einmal ein Getränk ausgeben.
17) Sperrstunde
Einer der fundamentalsten Unterschiede beim Ausgehen ist jedoch die Sperrstunde. In Australien öffnen die Clubs bereits gegen 21 Uhr und um 2 oder 3 Uhr morgens geht man nach Hause. Die Locking Hour, also die Sperrstunde ist damit also deutlich früher als in Deutschland.