Sich an einem Seil kopfüber in die Tiefe zu stürzen und damit seinen Mut zu beweisen ist keine neue Idee. Das was heute auf der ganzen Welt als Bungee-Jumping bekannt und zu einer Trendsportart geworden ist, ist in Wahrheit ein uralter Brauch, der auf Vanuatu seinen Ursprung hat. Genauer gesagt auf der Insel Pentecost, wo sich die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner jedes Jahr zwischen April und Juni treffen, um ihre Tapferkeit unter Beweis zu stellen. Sie folgen damit einem alten Brauch, der auf einer Legende basiert:
Ihr zu Ehren findet seither jedes Jahr das berühmte „Landdiving“ oder auch Turmspringen statt, bei dem sich die mutigsten Bewohner der Insel Pentecost von bis zu 30 Meter hohen Türmen aus Holz stürzen und erst knapp vor dem Aufprall am Boden von den starken Lianenseilen aufgefangen werden.
Mit dem modernen Bungee-Jumping hat dieser Sport nur wenig zu tun, denn anders als das elastische Gummiseil, das moderne Bungeejumper verwenden, sind die Lianen deutlich härter und federn die Stürze weniger sanft ab. Die Springer müssen also gehörigen Mut und auch Körperspannung mitbringen, um diese Stürze unbeschadet zu überstehen.
Auch ist es nur in den Monaten nach der Regenzeit, also ab April bis etwa Mitte Juni möglich, das Turmspringen abzuhalten, da nur dann die Lianen elastisch genug sind, um den Fall eines Menschen aus 20-30 Metern Höhe abzufangen.
Der Ablauf des Gol Springens
Das Turmspringen ist heute unter dem Namen Gol (fläschlicherweise auch oft Naghol/Nagol genannt) bekannt. Vor Beginn des Spektakels wird ein 30 Meter hoher Turm aus Holz und Lianen errichtet, meistens an eine Kokospalme angelehnt. Der Turm selbst wird Tarbe (Körper) oder Tarbe gol (Körper des Spiels) genannt. Die einzelnen Bereiche des Turms sind nämlich nach den Körperteilen des Menschen benannt: Es gibt den Fuß, das Knie, die Brust oder den Kopf – der Kopf des Turms ist die höchste Plattform, die nur den allermutigsten Springern vom Volk der Sa vorbehalten ist.
Einige Tage vor dem Beginn des Festes wählen die Männer sich ihre Lianen aus und präparieren sie. Dabei müssen sie sorgfältig vorgehen – je schwerer ein Springer ist, umso dicker muss die Liane sein. Ihr unteres Ende wird aufgefasert, damit es sich gut um die Fußknöchel binden lässt. Schließlich treffen sich die Bewohnerinnen und Bewohner von Pentecost am Turm und das Spektakel kann beginnen.
Anders als viele glauben, ist das Gol kein Initiationsritual für junge Männer und es ist auch keine Mutprobe, sondern ein Spiel, bei dem es keine Verlierer gibt. Wer sich traut, springt, wer nicht, der schaut zu. Dabei springen alte Männer genauso beherzt von den hohen oder tieferen Plattformen wie die Jungen – eine besondere Reihenfolge oder Rangordnung gibt es nicht. Und: Frauen nehmen in der Regel nicht am Springen teil, anders als es die Legende erzählt. Sie stehen unten und feuern die Männer mit rhythmischen Tänzen und Gesängen an.
So erlebt man als Tourist*in das Turmspringen der Insel Pentecost
Das Gol Springen auf der Insel Pentecost ist auf jeden Fall einen Besuch wert: Zuschauerinnen und Zuschauer sind den Bewohnern der Insel jederzeit willkommen. Air Vanuatu bietet jedes Jahr um diese Zeit Flüge von Port Vila nach Pentecost an, der Transfer vom Hotel zum Flughafen und bis zum Festplatz wo der Sprungturm steht, ist dabei mit inbegriffen.