Die Kultur der Maori

In wenigen Ländern ist die Kultur ihrer Ureinwohnerinnen und Ureinwohner so im Alltag präsent wie in Neuseeland. Von der Sprache bis zu den täglichen Bräuchen prägt die Maori-Kultur das Leben der Neuseeländer in vielen Bereichen und ist ein ganz selbstverständlicher Bestandteil des Alltags.

Neuseeländer zelebrieren ihre Errungenschaften wie Schulabschlüsse oder Hochzeiten gerne mit einem traditionellen „Haka“ oder erzählen ihren Nachkommen die uralten Legenden und Sagen des Maori-Volkes. In den Schulen wird die Sprache der Maori gelehrt und auch ihre Religion erlebt eine Renaissance. Doch das war nicht immer so.

Heute machen die Maori etwa 14% der Gesamtbevölkerung Neuseelands aus, viele Neuseeländerinnen und Neuseeländer können ihre Wurzeln bis zu den ursprünglichen indigenen Stämmen zurückverfolgen, doch für lange Zeit waren die Maori scharfem Rassismus und Gewalt von Seiten der weißen Eroberer ausgesetzt.

Es gilt als gesichert, dass die ersten Maori die neuseeländischen Inseln ab dem 8. Jahrhundert nach Christus besiedelten. Sie kamen in mehreren Wellen aus verschiedenen Regionen Polynesiens und fanden in Neuseeland fruchtbare und gut zu besiedelnde Landschaften vor. Die Maori lebten in kleinen Familiengruppen, „Wahanau“ genannt und bildeten bald größere Stämme, die „Hapu“. Doch die Maori waren ein kriegerisches Volk und trugen viele Kämpfe und Kriege um die fruchtbarsten Landstriche aus – Kriege, die sich teilweise über mehrere Jahrhunderte hinweg erstreckten und bei denen die unterschiedlichen Stämme, sich in erbitterten Feindschaften ergingen. Erst mit der Ankunft der Europäischen Eroberer und Siedler veränderte sich das jahrhundertealte Gefüge der Maorikultur.

Ankunft der Europäer in Neuseeland

Abel Tasman war der erste Europäer, der 1642 Neuseeland betrat – er geriet sogleich in Kämpfe mit einigen Maoris und verließ die Insel hastig, ohne sie zu erkunden. Doch von da an wusste man in Europa von den kriegerischen Einwohnern dieses weit im Süden gelegenen Landes. 1769 umrundete schließlich James Cook die Inseln, beobachtete und erkundete die Gegend und bescheinigte den Maori hohe Intelligenz und dem Land eine gute Lage. Er befand, dass sich Neuseeland hervorragend als Kolonie eignen würde. Die Zukunft des pazifischen Inselstaates war besiegelt, es kamen Siedler, Missionare, Soldaten und später auch Strafgefangene ins Land, die Bräuche und Rituale der Maori bedrohten.

Wie beinahe immer, wenn Europäer fremde Länder eroberten, kam es zu einem Niedergang der indigenen Kultur. Zum einen schleppten die Siedler fremde Krankheiten wie Masern ein, gegen die die Ureinwohner keine Abwehrkräfte hatten, zum anderen wurden die Maori immer weiter von ihrem angestammten Land zurück gedrängt: Kämpfe mit Siedlern, aber auch Kämpfe der Maori untereinander um das wenige verbliebene Land forderten zahlreiche Opfer. Als Folge dieser Kämpfe, die als Neuseelandkriege in die Geschichte eingingen, wurden zahlreiche Maoristämme enteignet und wurden zu einer Minderheit im eigenen Land. Ihre Kultur, ihre Sprache, ihre Bräuche und ihre Religion spielten keine Rolle mehr, sie besaßen kaum noch Land und so waren viele Maori gezwungen, sich der Kultur der Europäer unterzuordnen.

Erst nach dem ersten Weltkrieg formierte sich Widerstand gegen die rücksichtslose Unterdrückung der Maori durch die neuseeländische Regierung: Eine eigene Maori-Partei wurde gegründet, die es sich zum Ziel gemacht hatte, ihre Kultur wiederzubeleben. Bis zur eigentlichen Renaissance der Maori-Kultur dauerte es freilich noch mehrere Jahrzehnte.

Die Renaissance der Maori-Kultur

Ab den 1960er Jahren erlebte die Kultur der Maori einen wirklichen Aufschwung, und die neuseeländische Regierung erkannte sie schließlich als kulturelle, aber auch als politische Kraft an. 1975 wurde das Waitangi-Tribunal installiert, eine juristische Instanz, die den Maori dabei half, Rechtsansprüche (zum Beispiel auf Land) anmelden zu können. 2008 eignete man sich schließlich auf eine große Entschädigungsleistung – zahlreichen Maoristämmen wurde ihr angestammtes Land zurück gegeben. Die Renaissance der Maori-Kultur brachte den indigenen Stämmen Neuseelands Anerkennung und ein Stück weit auch Gerechtigkeit, doch die strukturellen Probleme sind damit nicht aus der Welt.

Zwar stehen die rund 800.000 Ureinwohner Neuseelands heute relativ gut da, verglichen mit den  indigenen Völkern anderer Länder, wie Australien oder Nordamerika. Doch noch heute sind die Folgen der Kolonialpolitik auch in der Maori-Gesellschaft schmerzlich spürbar: Maori sind prozentual schlechter ausgebildet, schlechter ernährt, häufiger krank und arbeitslos und leiden mehr an Alkoholismus, als die übrige Gesellschaft Neuseelands. Daran ändert auch die ambitionierte Kulturpolitik Neuseelands bisher nichts – zwar wird die Sprache und die Kultur der Maori gezielt gefördert, zwar feiert man jedes Jahr im Juli die „Maori Language Week“, zwar hat sich die Maori-Kultur mit ihren Hakas, ihrem Kunsthandwerk und ihrer Sprache tief in die neuseeländische Seele eingegraben – doch viele echte Probleme unter denen die Ureinwohner des Landes leiden, werden nach wie vor ignoriert. Und: Oft ist die Rückbesinnung auf die Maori-Kultur nichts weiter als Folklore – es hat sich ein regelrechter Wirtschaftszweig herausgebildet, bei dem die Kultur der Maori nur eine Touristenattraktion unter vielen ist.

Doch was ist also die Kultur der Maori und was macht sie so besonders? Wir stellen Ihnen die wichtigsten kulturellen Merkmale dieses Volkes vor.

» Rangi und Papa – die Begründer der Welt

Eine der wichtigsten kulturellen Säulen der Maori ist ihre Mythologie, auf die sich ihre gesamte Religion und Lebensweise gründet. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Schöpfungsgeschichte der Maori ein: Die Gottheiten Rangi und Papa gelten den Maori als die Begründer der Welt. Rangi, der Himmelsvater und Papa, die Mutter Erde, vereinigten sich als göttliches Liebespaar und zeugten viele Söhne: Diese waren das Meer, der Wind, die Feldfrüchte, die Tiere, die Menschen und viele weitere. Diese Söhne sahen sich von der engen Umarmung des Himmelsvaters und der Erdenmutter eingeengt und versuchten, auszubrechen. Sie stießen die Eltern auseinander und das Licht entstand. Doch die Brüder hatten untereinander einen Zwist: Der Gott des Windes Tāwhirimātea attackiert den Gott der Wälder Tāne und den Gott des Meeres Tangaroa und die daraus entstandenen Stürme verwüsten die Welt. Doch der grausamste der Brüder, Tūmatauenga, der Gott der Menschheit, unterjochte alle anderen: Die Wälder, die Feldfrüchte, die Tiere und die Meere. Nur den Wind konnte Tūmatauenga, der Mensch, nicht zähmen und so stürmt es bis heute auf der Erde.

» Tane Mahuta

Eine zentrale Rolle in der Maori-Mythologie nimmt der Gott der Wälder, Tane Mahuta, ein. Der Wald war von jeher der Lebensbereich der Maori – hier fanden sie nicht nur Nahrung, sondern auch Schutz. Der Schutz dieses natürlichen Lebensraumes hat für die Maori oberste Priorität: Mit dem Begriff „Kai-tiaki-tanga“ bezeichnen die Maori den tief empfundenen Respekt und die Fürsorge für die Umwelt. Ihrem Gott des Waldes zollen Sie Respekt und versprechen, ihn stets zu schützen und zu verteidigen.

» Hikurangi

Viele Naturdenkmäler gelten den Maori als heilig, so auch der Berg Hikurangi, den, der Legende nach, der Gott Maui aus dem Meer gezogen hat. So gilt der 1.752 Meter hohe Berg auf der Nordinsel als Heiligtum und spielt auch in der Mythologie der Maori eine zentrale Rolle.

» Karakia

In der Maori-Kultur wird viel gebetet. Der Begriff Karakia bezeichnet Gebete oder auch rituelle Gesänge, die für verschiedene Gelegenheiten gebraucht werden: So gibt es für alle Aspekte des Lebens ein eigenes Gebet, das in Gesangsform von der ganzen Gemeinschaft vorgetragen wird: Für das Abschiednehmen (auch von Verstorbenen), für Begegnungen, für Krankheiten oder für zeremonielle Zusammenkünfte. Auch als Segensgebete werden Karakias verwendet, beispielsweise um rituelle Kanus zu segnen.

» Kaitiakitanga, Manaakitanga & Kotahitanga

Die Maorikultur gründet sich auf Sagen, Legenden und Mythen – aber auch auf Prinzipien. Die drei Grundprinzipien Kaitiakitanga, Manaakitanga und Kotahitanga sind:

  1. Der Schutz des Landes, des Himmels und des Meeres (Kaitiakitanga): Was wir heute als Naturschutz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit bezeichnen, ist für die Maori das oberste Grundprinzip des Lebens.
  2.  Liebe und Mitgefühl für andere (Manaakitanga): Damit ist der achtsame Umgang mit der Gemeinschaft, der Respekt vor der Würde jedes Menschen gemeint. Unser Artikel 1 des Grundgesetzes „die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht auch in den Prinzipien der Maorikultur ganz weit oben.
  3. Gemeinschaft und Zusammenhalt (Kotahitanga): Die Maori sind ein kleines Volk und Zusammenhalt ist ihr Überlebensmechanismus. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Gemeinschaft und der Solidarität untereinander ist eines der wichtigsten Prinzipien der Maorikultur.

» Kunst: Whakairo, Raranga, Tukutuku

Ihre Kultur drücken die Maori vor allem durch ihr Kunsthandwerk aus. Whakairo bezeichnet die typische Schnitzkunst der Maori, die übrigens auch viele andere polynesische Völker beherrschen. Kunstvolle Motive werden in Holz, Knochen oder auch Stein geschnitzt oder gemeißelt, so zum Beispiel Gottheiten oder ganze Göttersagen.

Raranga bezeichnet das Weben und Flechten von Körben, Netzen (für den Fischfang) und Kleidungsstücken oder Decken. Was ursprünglich als notwendige Fertigkeit für das Überleben begann, entwickelte sich bald zu einer herausragenden Kunstform: Heute sind geflochtene Körbe oder Mäntel mit traditionellen Mustern ein Statussymbol in der Maorikultur.

Die Tukutuku Kunst der Maori bezeichnet ein kompliziertes Flechtwerk von Wandverkleidungen, die vorwiegend zum Bauen von rituellen Versammlungshäusern dienten: Die Wandtäfelungen werden aus verschiedenen Pflanzenfasern geflochten und bilden kunstvolle und komplexe Muster, die ganz spezielle symbolische Bedeutungen haben.

» Moko

Auch die Körperkunst ist für Maori essentiell: Moko heißen die traditionellen Tätowierungen, die zu ihrer Identität gehören. Ein Moko bezeichnet immer die Zugehörigkeit zu einem Stamm, zu einer Familie oder zu einer Kultur. Die kunstvollen Muster werden per Hand in die Haut gestochen und haben stets symbolische Bedeutung. Übrigens: Ein echtes Moko erhalten nur Maori, die von Maori tätowiert werden. Tätowierungen von oder für Nicht-Maori gelten nicht als Moko, sondern eben als ganz gewöhnlicher Körperschmuck.

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