Die Königin Kaʻahumanu kennt auf Hawaii jedes Kind. Dabei ist ihre Rolle in der hawaiianischen Geschichte durchaus kontrovers zu sehen. Noch heute ist Kaʻahumanu eine der bekanntesten historischen Figuren Hawaiis und wird für ihre zahlreichen politischen Reformen und vor allem für die Einführung der Schrift noch immer verehrt. Unter ihrer Regentschaft verschwanden jedoch auch die althergebrachten Traditionen Hawaiis, sowie die alte Götterreligion und die damit zusammenhängenden Riten.
Geboren wurde sie 1768 auf der Insel Maui. Ihr Vater, Ke’eaumuko war Berater des regierenden Königs Kamehameha und verheiratete, wie es der Brauch war, seine Tochter mit dem König, sobald diese ihr dreizehntes Lebensjahr erreicht hatte. Wie alle hawaiianischen Könige vor ihm, hatte Kamehameha jedoch viele Frauen, doch Kaʻahumanu war seine Lieblingsfrau. Der König war angetan von ihrer äußeren Erscheinung, noch mehr jedoch von ihrem lebendigen Geist und ihrer Abenteuerlust. Kaʻahumanu war nicht nur eine exzellente Surferin, sondern auch eine hervorragende Kämpferin: Sie war ausgebildet in allen hawaiianischen Traditionen, auch in der des Nahkampfs. Außerdem war sie klug: ihr politisches Geschick sicherte ihr einen festen Platz am hawaiianischen Königshof. Um die Macht ihres Ehemannes zu vergrößern, ermutigte sie den König, Krieg zu führen, damit ihr Volk mit den anderen Stämmen Hawaiis vereint werden konnte. Auf dem Schlachtfeld stand und kämpfte Kaʻahumanu der Legende nach direkt neben dem König.
Erste Kontakte mit Europäern
Die junge Kaʻahumanu war jedoch nicht nur eine geschickte politische Strategin, sondern auch eine der ersten Frauen Hawaiis, die ihren politischen Einfluss nutzten, um mit den europäischen und chinesischen Händlern zu verhandeln, die Hawaii zu dieser Zeit immer wieder besuchten. Sie lernte schnell die Sprache der Fremden und begann auch Grundkenntnisse in Buchhaltung zu erwerben. Als Jahre später die ersten amerikanischen Missionare auf die Inseln kamen, waren sie überrascht zu sehen, dass diese einheimische Frau nahezu perfektes Englisch sprach.
Kaʻahumanu interessierte sich auch sehr für die Kleidung, die Bräuche und die Religion der fremden Händler und Missionare. So begann sie nach und nach, einige deren Sitten zu übernehmen und führte diese auch im hawaiianischen Königshof ein: Sie fing an, weiße, lange Kleider zu tragen, wie sie sie bei den Frauen der Missionare gesehen hatte und übernahm viele der fremden Gebräuche in ihren Alltag. Sie knüpfte Freundschaften mit einigen der Händler und Missionare, insbesondere zu einem Mann namens Captain Vancouver, der Kapitän eines Handelsschiffes war. Als dieser ihr den christlichen Glauben nahebringen wollte, lehnte sie ab. Sie wollte etwas anderes, etwas viel wertvolleres: Sie verlangte, Lesen und Schreiben zu lernen.
Von der Gattin des Königs zur regierenden Königin
Als ihr Mann, König Kamehameha I starb, übernahm dessen ältester Sohn Liholiho den Thron und nannte sich fortan Kamehameha II. Dessen Mutter war eine der Nebenfrauen des verstorbenen Königs und eine der engsten Vertrauten von Kaʻahumanu. Die beiden Frauen lenkten gemeinsam die Geschicke des noch sehr jungen Königs, berieten ihn und aßen gemeinsam am Tisch mit ihm – gegen alle hawaiianischen Gepflogenheiten. Bald war die Macht Kaʻahumanus so groß, dass sie als inoffizielle Königin am Hofe galt, doch das hawaiianische Volk sah ihren Einfluss mit Besorgnis. Die Menschen waren überzeugt davon, dass die Götter Kaʻahumanu strafen würden. Als die göttliche Strafe ausblieb, waren die Menschen verunsichert: Sollten ihre Götter so machtlos sein? Auf Hawaii wurden nun die alten Tempel und Götterbilder zerstört – niemand wollte mehr solche machtlosen Gottheiten anbeten. Innerhalb von nur sechs Monaten nach dem Tod ihres Mannes, hatte Kaʻahumanu nicht nur den gesamten Hofstaat, sondern auch die gesamte Kultur ihres Volkes komplett umgekrempelt. Die Menschen auf Hawaii hatten keine Götter mehr, die alte Staatsreligion war verschwunden.
Doch Kaʻahumanu war noch nicht an ihrem Ziel angelangt. Beharrlich pochte sie auf ihre Rechte als Frau, auf ihre Rechte als Regentin und wurde so schließlich zur regierenden Königin im Range einer Premierministerin ernannt.
Aufbruch in eine neue Zeit
Nachdem Kaʻahumanu die alten Bräuche und Gepflogenheiten hinweggefegt hatte, entstand in ihrem Königreich ein Vakuum. Mit Hilfe von Missionaren begann Kaʻahumanu die hawaiianische Sprache zu verschriftlichen und den Einwohnern Lesen und Schreiben beizubringen, sodass am Ende ihrer Amtszeit über 60% der Bevölkerung Hawaiis eine Schulbildung genossen hatten. Doch das war nicht genug, um die Leere zu füllen, die der Verlust der alten Religion hinterlassen hatte. Nach jahrelangem Drängen der Missionare gab Kaʻahumanu nach und nahm den christlichen Glauben an. Viele im hawaiianischen Königreich taten es ihr nach. Auf Hawaii entstanden die ersten christlichen Kirchen und bald wurden auch die ersten hawaiianischen Bücher und Zeitungen gedruckt. Kaʻahumanu nutzte die neugewonnene Schriftsprache, um die Gesetze ihres Landes schriftlich festzuhalten und so entstand das erste hawaiianische Gesetzbuch. Auch die ersten Friedens- und Handelsverträge mit den USA wurden unter ihrer Regentschaft geschlossen.
Zehn Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1832 war Hawaii offiziell eine konstitutionelle Monarchie. Frauen waren nach wie vor als Premierministerinnen zugelassen und hatten weitreichende Rechte.
Fotos: Queen Kaahumanu – beide gemeinfrei via Wikimedia Commons;